Stadtrat Otto Blumenstock sprach für die SPD-Fraktion im Gemeinderat Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Zieger,
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger
Stadtrat Otto Blumenstock:
Ich kann mich an keine Entscheidung erinnern, in die so lange und so umfassend eingeführt oder die so intensiv vorberaten wurde. Wir hatten alle die Möglichkeit, uns an einer Reihe von Vorträgen eingehend über den Sachverhalt und die Sachzusammenhänge zu informieren.
Bei manchen Vorträgen hatte ich schon den Eindruck, dass die Referenten nach dem Motto handelten: Verklausulierst du es geschickt, dann bekommst Du einen Beratungsauftrag oder darfst gar ein Gutachten erstellen. Der Versuchung sind wir nicht erlegen. Für uns waren die Anhörungen von eingeladenen Stadtwerken und Wirtschaftsprüfern in der Arbeitsgruppe „Stromnetz“ und im Gemeinderat ausreichend. Aber keiner hat sich klar und deutlich für oder gegen eine Netzübernahme ausgesprochen. Aber schon in einer der ersten Vortragsreihen im Landtag hat ein Oberbürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzender eines Stadtwerkes mit eigener Stromerzeugung und Stromvertrieb erklärt, dass man ein Stromnetz nur dann erwerben sollte, wenn eine geeignete Struktur für einen eigenständigen Netzbetrieb vorhanden ist. Fehlen diese Voraussetzungen, sollte man davon tunlichst Abstand nehmen, denn neben den Kosten für den Erwerb des Netzes kämen dann noch Kosten für den Aufbau des Netzbetriebes mit allen Risiken für einen Netzbetrieb dazu, was je nach Größe des Netzes erhebliche Mittel binden würde.
Wir haben keine eigenen Kraftwerke, wohl aber sind wir in der Stadt und bei den Stadtwerken schon auf gutem Weg, was die Nutzung der regenerativen Energie angeht. Da können wir aber schon noch zu legen und niemand kann uns daran hindern.
Schon früh wurde uns klar, dass man mit Stromnetzen keine Energiepolitik betreiben kann. Denn jeder, der in irgendeiner Form Strom erzeugt, hat das Recht, diesen durch das vorhandene Netz zu seinem Kunden / Stromabnehmer zu bringen und dies zu von der Regulierungsbehörde vorgegebenen Preisen.
Wir haben unsere Entscheidung, eigenständiges Netz oder Beteiligung an einer Netzgesellschaft, sorgfältig vorbereitet. Wir haben auch unsere Mitglieder an der Entscheidung teilhaben lassen. Mit großer Mehrheit sind uns unsere Mitglieder in einer eigens dafür einberufenen Mitgliederversammlung darin gefolgt, das Stromnetz nicht zu kaufen, sondern uns an einer Netzgesellschaft zu beteiligen. Und dies tun wir heute.
Und warum?
1.Beim Kauf des Netzes durch die Stadt oder durch unsere Stadtwerke kommen wir nicht in den Genuss des Kaufs zum Buchwert, der deutlich niedriger ist, als der Sachzeitwert. Für die Wirtschaftlichkeit ist es aber von Bedeutung, ob ich neben der Kapitalverzinsung noch eine höhere oder geringere Abschreibung vom Anschaffungswert erwirtschaften muss, um Kapital richtig einzusetzen. Da der Buchwert erheblich geringer ist, als der Sachzeitwert, ist die Abschreibung auch geringer, und verbessert somit das Ergebnis.
2.Die sichere Versorgung der Städte und Gemeinden und ihrer Bürgerinnen und Bürger mit Strom ist eine verpflichtende Aufgabe, der wir uns nicht entziehen können und dürfen. Und wo ist dies besser gewährleistet, als in einer Netzgesellschaft, an der ein Partner beteiligt ist, der langjährige Erfahrung in der Versorgung der Städte, Gemeinden und in der Fläche hat?
3.Wenn dem so ist, und aus unserer Sicht ist dies so, dann bleibt uns nur noch die Entscheidung: Werden wir A – oder T – Gesellschafter.
Haftungsrechtlich bestehen keine Unterschiede zwischen den Gesellschaftsarten. Alle Gesellschafter haben die Pflicht und auch den Anspruch, eine kapitalstarke Netzgesellschaft zu haben und zu erhalten und müssen dazu beitragen. Alle Gesellschafter wollen ihr Kapital, das sie einsetzen müssen, ordentlich verzinst sehen. Natürlich bietet die A –Gesellschaft ihren Gesellschaftern eine ordentliche Rendite. Wir gehen aber davon aus, dass die Beteiligung als T – Gesellschafter diesen schon eine deutlich bessere Verzinsung für das eingesetzte Kapital bringt, als die garantierte Mindestverzinsung.
Zugegeben: Das Risiko des T-Gesellschafters ist ein anderes, als das des A – Gesellschafters, sind T –Gesellschafter doch verpflichtet, die Garantiedividende der A –Gesellschafter sicherzustellen, sofern das Ergebnis der Neckar Netze GmbH & Co. KG nicht ausreicht. Es gilt also abzuwägen, ob höhere Risiken für unsere Beteiligung als T –Gesellschafter an der Netzgesellschaft vertretbar sind, oder nicht.
Wir glauben, dass diese Risiken vertretbar sind, denn
a. auch wenn die Regulierungsbehörde streng darauf achtet, dass wirtschaftlich mit Stromnetzen umgegangen wird, wird sie die Entgelte stets so festsetzen, dass die Netze auch erhalten werden können. Sie würde sonst die bislang sichere Versorgung gefährden und dies soll sie gerade vermeiden.
Allerdings sind Netze wohl nur dann sicher und wirtschaftlich zu betreiben, wenn sie genügend groß sind. Dies sehen unsere Kolleginnen und Kollegen in Stuttgart jetzt wohl ähnlich, denken sie doch auch daran, das noch zu kaufende Netz in eine größere Einheit einzubringen (es schwebt ihnen eine Kommunale Netzgesellschaft Baden-Württemberg vor).
b. wir haben einen Gesellschafter im Boot, der die Netze als Konzessionär bisher allein gehalten hat und der weis, welche Investitionen in der Zukunft notwendig sind und welch laufender Unterhaltungsaufwand erforderlich ist. Die EnBW will ihr Kapital, das sie in Form der Netze und Leitungen einbringt, ja auch in Zukunft gut verzinst sehen. Und dies wollen wir für unser Engagement auch.
c. wir möchten mit unserer Beteiligung als T –Gesellschafter nicht nur unser einge-
setztes Kapital gut verzinst wissen. Wir sehen darin auch die Möglichkeit, Mehrerlöse für unsere klimapolitischen Ziele einzusetzen. Denn es gilt: Kannst Du mit Strom- netzen keine Energiepolitik machen, nimm das Geld und verwende es dann für Deine Ziele z.B. für unsere Klimapolitik.
d. wollten wir gar keine Risiken eingehen, müssten wir beim alten System bleiben d.h. wir schließen lediglich einen Konzessionsvertrag mit wem auch immer und beteiligen
uns nicht als Gesellschafter. Das aber ist uns allen doch zu wenig.
4.Nun ist unsere Beteiligung an einer Neckar Netze GmbH & Co. KG auch ein Zeichen an unsere Umlandgemeinden. Sie haben immer darauf hingewiesen, dass für sie der NEV Garant einer sicheren Versorgung des Kreisgebietes und damit auch der kleineren Städte und Gemeinden mit Strom ist. Wir geben ihnen ein Zeichen, dass das Netz unter Beteiligung der Stadt Esslingen auch dann noch eine hinreichende wirtschaftliche Größe erreichen wird, wenn andere Städte und Gemeinden einen eigenständigen Weg gehen wollen. Aber es haben sich etliche Kommunen nach ausführlicher Diskussion nun doch für eine Beteiligung an der Neckar Netze GmbH & Co. KG entschieden und dies mit großer Mehrheit, wie in der Presse in letzter Zeit zu lesen war. Nur die Grünen in den Gemeinderäten waren wohl für ein Netz in kommunaler Hand. Sie glauben wohl immer noch, dass man mit Stromnetzen Energiepolitik betreiben kann.
Aber warten wir es doch ab, wer letztendlich außen vor bleibt und für wie lange. Ich denke schon, dass sich einige davon sehr bald in den Schoss einer unserer Bündelgesellschaften zurück sehnen und dann auch zurückkommen werden.
5.Wir finanzieren unsere Beteiligung mit 6 – 7 Mio Euro über den Eigenbetrieb SVE, der dazu Wertpapiere des Anlagevermögens in dieser Höhe verkaufen wird. Wir tauschen also Anlagevermögen in eine Beteiligung, müssen dafür dem SVE aber auch einen Ertragsanteil abführen, damit dort auch weiterhin der jährliche Verlust gedeckt ist. Der Ertragsanteil dürfte aber deutlich über den Beträgen liegen, die derzeit für Anlagevermögen auf dem Markt erzielt werden können. Auch insoweit rechnet sich dies.
6.Gemessen an diesen Kriterien kommen wir von der SPD-Gemeinderatsfraktion zu der Überzeugung, dass unsere Beteiligung an der Neckar Netze GmbH & Co. KG der einzig vernünftige Weg ist und die Beteiligung als T –Gesellschafter in der Neckar Netze Bündelgesellschaft T GmbH & Co. KG unter Abwägung der Risiken sehr wohl vertretbar ist. Deshalb werden wir dem Antrag der Verwaltung vom 16.11.2011 mit der Ergänzung vom 15.12.2011 einstimmig zustimmen und Gesellschafter in der Bündelgesellschaft T GmbH & Co. KG werden.
Schlussbemerkungen
Mit unserer Entscheidung gehen wir den Weg in eine betriebswirtschaftlich, volkswirtschaftlich und energiewirtschaftlich effiziente Versorgungsstruktur, die für unseren Kapitaleinsatz eine ordentliche Rendite bringt, die uns und für die übrigen Mitgliedsgemeinden eine hohe Versorgungs- und Zukunftssicherheit bringt und die uns den Raum lässt für eigene Aktivitäten im Bereich der Erzeugung von regenerativer Energie. So haben wir auch die Aufgabe der Arbeitsgruppe „Stromnetze“ gesehen, wo wir einvernehmlich Formale und Inhaltliche Kriterien für unsere künftige Stromversorgung erarbeitet haben. Und diese wollen wir nun umsetzen und zwar So und jetzt. Aber erst wenn wir einen Konzessionsvertrag mit der Neckar Netze GmbH & Co. KG schließen, können wir Gesellschafter in der Bündelgesellschaft T GmbH & Co. KG sein. Und erst dann kann unser heutiger Beschluss auch formal umgesetzt werden. Bis dahin sind wir in unseren Entscheidungen immer noch frei. Und dass unser Beteiligungsbeschluss von der Verwaltung nur dann umgesetzt wird, wenn alle Voraussetzungen für den Vollzug und die Rechtmäßigkeit gegeben sind, ist für uns selbstverständlich. Andere mögen dies bezweifeln, wir tun dies nicht.